Zum Sonntag
Warum?
In der letzten Zeit passiert es mir immer öfter: Mir kommen Tränen beim Lesen, Gucken oder Hören der Nachrichten. Eigentlich nicht sehr verwunderlich bei den vielen grausamen und traurigen Nachrichten dieser Tage: das Schicksal der Menschen in der Ukraine, mehrere Tote, sogar ein ungeborenes Kind beim Amok-Lauf in Hamburg, zwei jugendliche Opfer bei zwei unterschiedlichen Gewaltverbrechen in Bramsche bei Osnabrück innerhalb einer Woche.
In Online-Portalen, Fernsehsendungen und Zeitungen und auch in Gesprächen beim Bäcker oder Einkaufen werden dann schnell viele Fragen aufgeworfen. Wir wollen erklären, wir wollen wissen, wir wollen verstehen! Wie konnte das passieren? Woran lag das? Wer ist schuld? – Jede vermeintliche Antwort wirft wieder neue Fragen auf. Gewiss ist es gut – gerade für die Angehörigen – möglichst viele offene Fragen beantwortet zu bekommen. All das Fragen und Antworten wirft uns letztendlich zurück auf diese eine große Frage: Warum? Warum musste das passieren? Warum gerade mein Sohn, meine Tochter,…? Warum…? Wie umgehen mit dieser Frage, auf die es keine Antwort gibt?
Im Januar 2015 bekommt Papst Franziskus auf den Philippinen diese Frage auch gestellt. Die Zwölfjährige Glyzelle Palomar berichtet dem Papst über ihr Leben als Straßenkind, sie muss unter Tränen abbrechen und fragt den Papst: „Warum lässt Gott so etwas zu?“ Der Papst nimmt das Mädchen lange in den Arm. Und er gibt zu: Das ist die einzige Frage, auf die es keine Antwort gibt. Er versucht nicht, durch eine Antwort das Mädchen zu vertrösten. Der Papst steht zu der Ratlosigkeit dieser Frage. Und tröstet gerade damit.
In seiner dann frei gehaltenen Ansprache sagt der Papst in Bezug auf die Tränen des Mädchens: „Lasst uns lernen zu weinen wie sie!“ Nur wenn wir fähig sind zu weinen, können wir vielleicht etwas verstehen und fähig werden zu helfen, so der Papst. „Und wenn sie uns fragen ,Warum?‘, dann möge unsere Antwort entweder Schweigen sein oder ein Wort, das aus Tränen geboren ist. Seid mutig, habt keine Angst zu weinen!“ Meine Tränen bei den Nachrichten sind also ganz im Sinne des Papstes. Den Trost, den wir Menschen nach schweren Unglücken oder nach Schicksalsschlägen geben können, sind also keine vorschnellen Antworten, sondern vielmehr die Frage nach dem Warum auszuhalten, in den Arm zu nehmen, zu weinen, zu schweigen, da zu sein.
Bernd Overhoff ist Seelsorger in der katholischen Stadtpfarrei St. Augustinus und im Kirchenschiff Nordhorn
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