12.07.2022, 12:47 Uhr / Lesedauer: ca. 4min

Post vom Chefredakteur

Kommentieren mit Klarnamen: Wir schaffen die Pseudonyme ab

author Von Steffen Burkert

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Auf GN-Online haben wir eine neue Regel eingeführt, die sich einige von Ihnen – wie ich aus Rückmeldungen weiß – seit langem wünschen, über die sich manche aber auch ärgern werden: Wir veröffentlichen Leserkommentare nur noch unter echtem Namen, nicht mehr unter Pseudonym.

Mit dieser Entscheidung haben wir uns nicht leichtgetan. Ich selbst war lange ein Verfechter von Pseudonymen. Denn der Unterschied zu Leserbriefen in der Tageszeitung, die wir immer schon unter dem Namen des Einsenders abgedruckt haben, besteht ja darin, dass Meinungsäußerungen im Internet nicht am nächsten Tag ins Altpapier wandern. Sie können im Netz geteilt, dort von anderen kommentiert und auch in Zukunft gefunden werden.

Meine Hoffnung war, dass sich Menschen, die nicht zwingend ihren echten Namen nennen müssen, auf GN-Online freier äußern; dass sie auch kontroverse Meinungen mutiger vertreten; dass sie sich Kritik auch am eigenen Umfeld zutrauen. Und all das ohne die Sorge, es könnte bei Freunden und Verwandten, in der Nachbarschaft und im Verein oder sogar bei Vorgesetzten und potenziellen künftigen Arbeitgebern schlecht ankommen.

Wir möchten zusammenführen, nicht entzweien

Leider hat sich diese Hoffnung kaum erfüllt. Wir mussten stattdessen feststellen, dass Pseudonyme manche (längst nicht alle!) Kommentatoren offenbar dazu verleiten, gesittete Umgangsformen zu ignorieren, Regeln des Anstands über Bord zu werfen, sich im Ton zu vergreifen, andere Kommentatoren zu verunglimpfen statt mit ihnen zu diskutieren. Wir hatten darauf gesetzt, dass Debatten auf GN-Online dank Pseudonymen inhaltlich reicher werden. Stattdessen wurden sie häufig atmosphärisch ärmer.

Das möchten wir nicht. Wir möchten mit unseren Angeboten die Menschen in der Grafschaft Bentheim zusammenführen, nicht entzweien. Wir möchten zum Dialog anregen und Verständnis für unterschiedliche Meinungen wecken, nicht Raum für Wut und Hass bieten. Wir möchten, dass es mehr um Inhalte und letztlich um Lösungen geht, und weniger um emotionalen Streit, tiefere Gräben und härtere Fronten. Kurzum: Wir möchten, dass die Leserkommentare unter unseren Artikeln für Sie, liebe Leserinnen und Leser, eine Bereicherung darstellen.

Das ist, wie wir aus Ihren Rückmeldungen lernen mussten, bislang leider nicht in ausreichendem Maße der Fall. Deshalb wollen wir nun testen, ob dies ohne Pseudonyme besser gelingt. Erfahrungen anderer Lokalzeitungen, mit deren Redakteuren ich mich in den vergangenen Wochen intensiv ausgetauscht habe, geben Anlass zu Hoffnung.

Visier hochklappen, Gesicht zeigen

Wer seine Meinung öffentlich sagt, der soll auch „mit seinem Namen dazu stehen“, haben Leser immer wieder von uns gefordert. Wer anderen etwas ins Gesicht sage, der solle auch selbst sein Gesicht zeigen. Ich kann diese Forderungen nachvollziehen. Ich weiß aber auch, dass der echte Name allein nicht zwingend zu sachlicheren, anständigeren Debatten führt. Das beobachten wir zum Beispiel auf Facebook, wo Nutzer in der Regel nicht nur ihren echten Namen nennen, sondern bereitwillig viele weitere Informationen über sich selbst preisgeben – seien es Fotos, Interessen, verwandtschaftliche und freundschaftliche Beziehungen, beruflicher Werdegang oder Mitgliedschaften. Trotzdem steht der Umgangston auch dort immer wieder in der Kritik. Und das häufig sehr zu Recht, wie ich finde. Eine Klarnamenpflicht, wie sie genannt wird, ist also wahrlich kein Allheilmittel, das ist uns bewusst.

Visier hochklappen, Gesicht zeigen: Das haben Leser immer wieder von Kommentatoren auf GN-Online gefordert. Foto: Nicolas Armer/dpa

© picture alliance / dpa

Visier hochklappen, Gesicht zeigen: Das haben Leser immer wieder von Kommentatoren auf GN-Online gefordert. Foto: Nicolas Armer/dpa

Dennoch haben wir die Hoffnung, dass unser Kommentarbereich auf GN-Online künftig ohne Pseudonyme noch lesenswerter für alle wird. Für diejenigen, die mitdiskutieren wollen und nun vielleicht weniger Sorge vor unangebrachten Reaktionen aus unbekannten Quellen haben müssen; die sich also darauf verlassen können, dass sich auch alle anderen, wie vielfach gefordert, „mit hochgeklapptem Visier“ mit ihnen auseinandersetzen. Aber auch für diejenigen (und das ist die große Mehrheit), die stumm mitlesen und dabei auf neue Argumente, unterschiedliche Sichtweisen und letztlich bereichernde Informationen hoffen.

Wer auf GN-Online kommentiert, ist informiert

Denn GN-Online ist nicht Facebook, unser Nachrichtenportal ist kein soziales Netzwerk. Den Kern unseres Angebots bilden journalistisch aufbereitete Informationen aus der Grafschaft und aller Welt. Leserkommentare beziehen sich immer direkt auf einen Artikel, also auf eine Basis verlässlicher Informationen. Wer auf GN-Online kommentiert, ist informiert. Ihre Meinung können nur unsere Abonnenten äußern – also Nutzer, die den Artikel auch tatsächlich in voller Länge lesen konnten, denen deutlich mehr Informationen zur Verfügung stehen als nur die Überschrift. Leser also, die tatsächlich mitreden können – und von denen wir selbstverständlich hoffen, dass sie dies auch weiterhin tun. Nur künftig eben unter einem echten Namen.

Erstaunlich viele Leser haben dies übrigens auch bislang schon getan, sie haben freiwillig darauf verzichtet, ein Pseudonym zu verwenden. Und wir haben festgestellt, dass deren Beiträge von uns, aber auch von anderen häufig als besonders lesenswert empfunden wurden.

Kommentieren können auf GN-Online ausschließlich angemeldete Nutzer mit gültigem Abonnement. Dabei bleibt es. Nun wird der Name dieses Abonnenten aber zwingend vor dem Kommentar angezeigt. Das Feld im persönlichen Profil, in dem bislang ein alternativer Name eingetragen werden konnte, blenden wir aus.

Selbstverständlich gilt diese Regel ausschließlich für neue Leserkommentare. Bereits erschienene Beiträge sind auch weiterhin unter dem Namen zu lesen, unter dem sie veröffentlicht wurden. Wir werden kein Pseudonym nachträglich lüften. Um keine unerwünschten Rückschlüsse aus Profilbildern zu ermöglichen, haben wir diese zentral gelöscht.

GN-Online-Abonnenten kommentieren ab sofort unter ihren echten Namen die Artikel der Redakteure. Pseudonyme sind nicht mehr zulässig. Digital-Chefredakteur Steffen Burkert erklärt im Video, welche Hintergründe zur Klarnamenpflicht geführt haben.

Der direkte Draht zur Redaktion

Übrigens: Wenn Sie zu einem Artikel Ihre Meinung sagen möchten, wenn Sie Hinweise geben, Fehler korrigieren oder uns Ergänzungen mitteilen möchten, ohne sich öffentlich mit vollem Namen zu äußern, dann können Sie dies auch in Zukunft tun. Unter jedem Artikel auf GN-Online, der kommentiert werden kann, finden Sie die Funktion „Hinweis an die Redaktion“. Auf diesem Wege können Sie jederzeit Kontakt zu uns aufnehmen.

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Guntram Dörr,
Chefredakteur